“Früher war hier das Ende der Welt” – Interview mit Autor Florian Klenk

Im Anschluss an seine Lesung aus dem Buch „Früher war hier das Ende der Welt“ in Neudörfl, am 30.03.2012, führte die Planet-Redaktion ein Interview mit Florian Klenk, Buchautor und stellvertretender Chefredakteur der Wiener Stadtzeitung „Falter“.

Bereits während der Lesung zeigte sich Klenk sehr interessiert am Austausch mit seinem Publikum. Er antwortete nicht nur offensichtlich gerne auf Zwischenfragen, sondern forderte die Zuhörerinnen und Zuhörer auch immer wieder aktiv zur Teilnahme am Diskurs auf.

Natürlich können wir an dieser Stelle unmöglich den ganzen Abend in voller Breite widerspiegeln. Das würde einerseits den Rahmen jedes vernünftigen Artikels sprengen, selbst im doch etwas weniger Beschränkungen unterliegenden Web-Format, andererseits ergäbe sich ein stimmiges Bild nur unter gleichzeitiger Wiedergabe der vorgelesenen Textpassagen.

An diesen halten aber Autor und Verlag die Urheberrechte und ein gewisses, berechtigtes Interesse zum Einkommenserwerb. Es sei daher allen, die nicht das Glück hatten, an dem Abend persönlich anwesend zu sein, die Lektüre des Buches von Florian Klenk zutiefst ans Herz gelegt.

Nach seiner Lesung und unseren persönlichen Gesprächen mit ihm können wir „Früher war hier das Ende der Welt“ mit gutem Gewissen als sicher nicht immer leichte, aber absolut lesenswerte Kost empfehlen.

Selbstverständlich ist das Buch auch über Amazon online verfügbar: “Früher war hier das Ende der Welt”: Reportagen © Paul Zsolnay Verlag Wien 2011

Planet: Herr Klenk, was ist Ihre Vision für die Entwicklung des Journalismus in Österreich?

Florian Klenk: Mir geht es um eine Renaissance der Sozialreportage. Die Sozialreportage ist in den letzten Jahren zum Sozialporno verkommen. Auch wenn man sich die entsprechenden Formate im Fernsehen ansieht. Das ist eine aufgesetzte Inszenierung, durch welche die Gesellschaft lächerlich gemacht wird. Ich versuche, der Gesellschaft etwas über sich selbst zu erzählen. Es geht darum, wie es Klaus Gatterer so schön gesagt hat, „den Alltag zu enthüllen“. Die Bordelle, die Flüchtlingsheime, die Gefängnisse, die alltägliche Gerichtsprozesse.

Dadurch möchte ich etwas über Österreich erzählen. Das Leitmotiv in meinem Buch sind die Grenzen. Reale Grenzen, die unser Land abgrenzen gegenüber dem „Osten“, gegenüber den nicht so wohlhabenden, aber auch ethische Grenzen, rote Linien die überschritten und verletzt werden. Grenzen die man vielleicht auch neu ziehen muss.

Planet: Wie geht es einem als Journalist, wenn man auf der einen Seite mit manchen Geschichten Erfolg hat, tatsächlich sieht, dass man etwas bewegen kann, auf der anderen Seite aber oft auch einfach nichts passiert. Erleben Sie so etwas als persönliches Versagen?

Florian Klenk: Kein Journalist darf davon ausgehen, dass das was er schreibt eine unmittelbare Wirkung hat und unmittelbar zu Reformen führt. Wenn das funktionieren würde, dann hätte es keinen 2. Weltkrieg geben dürfen. Einige Journalisten haben damals die Entwicklung in einer erschreckenden Präzision vorhergesehen. Journalismus kann also nicht danach gemessen werden, was wir tatsächlich verändern.

Was wir tun ist, die Gegenwart zu beschreiben. Ein Journal zu führen. Journalismus ist das führen eines Tagebuches über die Gesellschaft. Möglichst präzise und akribisch. Natürlich hat man dabei den Hintergedanken, dass das geschriebene die Gesellschaft reformieren kann, dass man mit den Artikeln Leute trifft, welche die Macht haben Reformen einzuleiten. Insofern ist investigativer Journalismus auch Reformjournalismus.

Planet: Sie haben während des „Tierschützerprozesses“, der ja lange Zeit die österreichischen Medien dominiert hat, sehr differenziert Stellung bezogen und klar dem „Mainstream“ widersprochen. Wie haben Sie den Prozess gesehen?

Florian Klenk: Ich habe den Umstand, dass die Polizei gegen die Tierschützer ermittelt hat, nicht als Skandal angesehen. Weil die Vorwürfe die im Raum standen, sehr schwerwiegender Art waren. Es wurden Leute gestalked, es gab Sachbeschädigungen, es wurden Firmen wie von der Mafia gezwungen ihre Geschäftspraktiken zu ändern. Interessanter Weise waren viele der Opfer Frauen. Man hat Extremisten nach Österreich eingeladen, die an Brandanschlägen beteiligt waren. Ich habe die Meinung vertreten, dass die Polizei das Recht hat, das zu klären. Auch im Interesse der Geschädigten.

Auch der Herr Graf von der Firma Kleiderbauer hat ein Recht darauf, dass seine Wohnung, sein Eigentum und seine Familie geschützt werden. Das war die eine Seite.

Ich sah die Untersuchungshaft als viel zu lang. Auch einige der eingesetzten Ermittlungsmethoden in der verdeckten Ermittlung waren exzessiv. Dann ist auch noch das gerichtliche Verfahren total aus dem Ruder gelaufen, zum Teil weil die Staatsanwaltschaft eine sehr schlechte Anklage vorgelegt hat, die ausgeufert ist. Da musste jedes Detail vor Gericht einzeln abgehandelt werden. Zum Teil hat auch die Richterin den Prozess einfach nicht in der Hand gehabt. Aber auch deswegen, weil sich die Tierschützer vor Gericht keine Gelegenheit haben entgehen lassen, eine Show abzuziehen. Sie haben Beweisanträge sonder Zahl gestellt, sich auf den Boden gelegt und hinaustragen lassen, alles um zu zeigen was für eine „lächerliche“ Justiz wir haben. Die Melange aus zulässigen Ermittlungen, einer unglaublich schlechten Anklage, überzogenen Zwangsmaßnahmen und einer überforderten Richterin hat zu dieser rechtsstaatlichen Katastrophe geführt.

Natürlich ist es ein Skandal, wenn ein Prozess sich so lange hinzieht und im Endeffekt Leute, die Freigesprochen werden, finanziell ruiniert sind. Das ist mein Standpunkt. Ich glaube der ist gar nicht so radikal, wie die Tierschützer das gerne sehen möchten. Das Erstaunliche war ja die Reaktion der Tierschützer. Dass ich als einer der wenigen Journalisten eine kritische Position eingenommen habe, hat mir extreme Anfeindungen eingebracht. Mir wurden die übelsten Dinge unterstellt, unter anderem ich hätte sexuelle Verhältnisse zur Firma Kleiderbauer. Deswegen würde ich so kritisch schreiben. Das hat mich schon ein wenig erschreckt, dass Menschen die auch schon für die Grünen auf Listen kandidiert haben, vor den übelsten Untergriffen nicht zurückschreckten. Das war doch erstaunlich.

Planet: Was glauben Sie ist die Ursache dieser starken Polarisierung gewesen?

Florian Klenk: Es gibt bei den Tierschützern ein ganz klares Freund-Feind denken. Jeder der nicht bedingungslos für die Sache ist, ist ein Feind. Das ist aber ein generelles Charakteristikum eines jeden militanten Menschen. Dass die Tierschützer militant und radikal sind, das verschweigen sie ja selbst nicht. Das Wesen jedes „Fundis“ besteht eben darin, nur in Gut und Böse zu denken. Dazwischen gibt es nichts, keine Differenzierung.

Den Tierschützern ist es rund um den Prozess gelungen, die Journalisten größtenteils komplett auf ihre Seite zu ziehen. Das hatte auch damit zu tun, dass sich viele Vertreter der Zivilgesellschaft bedingungslos auf deren Seite gestellt haben. Der Diskurs wurde nur dahingehend geführt, dass es in dem Verfahren um die kriminalisierung des Tierschutzes ging. Aber diese Menschen haben nie wegen Tierschutz vor Gericht gestanden. Sie standen vor Gericht, weil anderen Menschen die Geschäfte zertrümmert wurden, weil Autos beschädigt und Familien verfolgt wurden. Das war, was man ihnen vorgeworfen hat. Das Gericht hat festgestellt, dass den Beschuldigten die Taten nicht nachgewiesen werden können, passiert sind diese Dinge aber trotzdem.

Planet: Was halten Sie persönlich vom sogenannten „Mafia-Paragraphen“, der ja auch im Tierschützerprozess eine prominente Rolle gespielt hat?

Florian Klenk: Ich halte ihn für extrem Missbrauchsanfällig. Ich halte ihn für schlecht formuliert. Er ist ein Einfallstor für Ermittler, die es sich leicht machen wollen und ein extremes Überwachungsarsenal auffahren. Ich glaube daher, dass er dringend reformiert gehört. Im Tierschützerprozess war er schlichtweg der falsche Paragraph. Man hätte das Verfahren auch wegen Nötigung, Sachbeschädigung und Körperverletzung führen können. Der Prozess hat gezeigt, dass unsere Polizei nicht reif dafür ist, einen solchen Paragraphen anzuwenden.

Planet: Wenn Sie einen unbegrenzten Etat und freie Hand bei der Publikation hätten. Worüber würden Sie schreiben?

Florian Klenk: Eine gute Frage… was würde ich machen wenn ich ganz viel Geld hätte. Ein Buch über Martin Schlaff. Eine der interessantesten Persönlichkeiten in unserem Land. Wenn ich jemanden hätte der mir die Arbeit finanziert, würde ich das gerne machen.

Ich glaube natürlich, dass das Kapitel Eurofighter gründlich aufgearbeitet gehört. Wenn ich ganz viele Rechercheprofis und Geld hätte, würde ich mir diesen Fall einmal gründlich Vorknöpfen. Vor allem gehörte auch die internationale Seite beleuchtet, wie EADS das Ganze gehandhabt hat. Ich würde mir auch die Pharmabranche sehr genau anschauen. Ich glaube, dass die Art und Weise wie das Gesundheitssystem funktioniert problematisch ist.

Planet: Zum Abschluss eine, nachdem wir dieses Interview in einem Online-Medium bringen werden, vielleicht vorhersehbare Frage: Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung, bzw. das Spannungsfeld zwischen Printmedien und Online-Medien? Wir haben ja z.B. in den USA bereits einen Trend, dass renommierte Printmedien zugunsten von Online-Portalen eingestellt werden. Glauben Sie, dass das auch in Österreich passieren wird?

Florian Klenk: Ich würde die Frage anders Formulieren: Gibt es in zwanzig Jahren noch Journalismus? Klare Antwort: Ja, den wird es immer geben. Weil es immer das Bedürfnis nach distanzierten, kritischen Berichten geben wird. Auf welchem Trägermedium wir diesen Journalismus lesen werden, weiß ich nicht. Vielleicht haben wir bis dahin einen Chip in den Augen der die Nachrichten direkt empfängt. Vielleicht lesen wir aber immer noch unsere auf Papier gedruckte Zeitung.

Wir lesen auch immer noch gedruckte Bücher, obwohl das eigentlich technisch nicht mehr notwendig wäre. Wir hören immer noch Radio und schauen immer noch fern. Ich glaube, dass das Internet eine viel größere Bedrohung für das Fernsehen darstellt als für die Zeitungen. Das Fernsehen sollte sich viel mehr fürchten. Ich glaube, dass die Zeitung sogar reüssieren wird, wenn sie sich auf ihre Grundtugenden besinnt. Nämlich distanziert, ruhig, analytisch und sachkundig einen Mehrwert zur Informationsflut zu bieten. Vielleicht werden Wochenzeitungen besser überleben als Tageszeitungen. Eventuell werden auch große Zeitungen nur mehr als Wochenzeitung gedruckt erscheinen. Ich sehe keine Zukunft in der derzeitigen Gratiskultur. Für guten Journalismus muss auch bezahlt werden.

Planet: Vielen Dank für das Interview.

Florian Klenk ist einer, der “dort dran bleibt, wo andere lieber wegschauen und bestenfalls in liberalen Unverbindlichkeiten verharren”. Journalist, Jurist, stellvertretender Chefredakteur und Politikchef der Wiener Stadtzeitung Falter. Mehrfach ausgezeichnet, sind seine investigativen Reportagen vor einem Jahr in Buchform erschienen. “Früher war hier das Ende der Welt” umfasst Berichte über die Wartenden an der Schengengrenze, über die Opfer von Frauenhandel oder von Spielsucht, über ausländerfreie Kärntner Gemeinden oder über die Methoden verdeckter Drogenermittler und zeigt nicht nur ein Bild unserer Gesellschaft, sondern fordert auch zur Korrektur dieser Gesellschaft auf. Ohne moralisierenden Ton und ohne erhobenen Zeigefinger, nüchtern und unprätentiös, aber immer hart am Thema.

“Früher war hier das Ende der Welt”: Reportagen © Paul Zsolnay Verlag Wien 2011

Kommentare

  1. Irmgard Seidler meint:

    Lieber Wolfgang Du bist echt Gscheit hab ich immer schon gesagt lg irmgard

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