“Der Segen der Gentechnik” – oder “Wieviel kostet ein redaktioneller Artikel im Standard?”

An und für sich gilt der Standard als eines der rennomiertesten Qualitätsmedien Österreichs. Unabhängige und korrekt recherchierte Berichterstattung ist ein wichtiger Bestandteil der Blattlinie. Dank einem völlig unreflektierten Jubel-Artikel, ausgerechnet über die “Vorzüge” des Anbaus von Gentech-Baumwolle in Indien, nimmt diese Reputation aber gerade erheblichen Schaden.

In dem am 2. Juli auf derStandard.at veröffentlichten Bericht ( http://derstandard.at/1339639586748/Indien-Der-Segen-der-Gentechnik ) werden, augenscheinlich ohne jede weiterführende Recherche, gentech-freundliche Meldungen aus dem Dunstkreis des Saatgut und Chemie Konzerns Monsanto wiedergegeben. Dabei hat man sich offensichtlich nicht einmal die Mühe gemacht, die Faktenlage zumindes oberflächlich zu prüfen.

Die Schreibweise und Formulierung des Artikels wirkt vielmehr so, als wäre eine typische Presseaussendung Monsantos schlichtweg per Copy-and-Paste übernommen worden.

Einzige Informationsquelle für den Artikel scheinen Jonas Kathage und Matin Qaim zu sein. Beide Wissenschaftler werden bereits seit vielen Jahren wegen ihrer fragwürdigen Methoden und extremen Nähe zu Monsanto kritisiert. Im Rahmen einer wenige Minuten dauernden Internet-Recherche kann man so z.B. feststellen, dass beiden von Berufskollegen vorgeworfen wird, bereits mehrfach Studien veröffentlicht zu haben, in denen ausschließlich von Monsanto bereitgestellte Daten analysiert wurden. Diese Daten seien dabei weder auf Plausibilität geprüft worden, noch hätten Kathage und Qaim sie in Relation zu anderen Datenquellen gesetzt.

Auch der Vorwurf, dass Monsanto sich in aller Welt “gute” Studien für seine Produktwerbung kauft und gleichzeitig extrem hart gegen kritische Wissenschaftler vorgeht ist ja alles andere als neu. Wenn der Prince of Wales es für notwendig hält, sich bei einem Ungarischen Professor (dessen Studien Monsanto in die Quere gekommen waren) ausdrücklich für das unethische Verhalten der englischen Regierung (welche angeblich im Auftrag Monsantos massiv interveniert hatte) zu entschuldigen, spricht das doch für eine gewisse Substanz der Vorwürfe.

Fakt ist auch, dass unabhängige indische Untersuchungen das genaue Gegenteil der im Standard kolportierten “Vorzüge der Gentechnik” belegen. So schreibt das indische “Council of Social Development” in seiner Studie “Socio-economic impact assessment of Bt cotton in India” etwa, dass eine Hauptursache für die horrenden Selbstmordraten unter Baumwoll-Farmern in Indien die steigenden Bewässerungskosten sind.

70% der Bauern geben demnach an, dass die Bewässerungskosten für Bt-Baumwolle erheblich höher sind als bei konventionellem, an die Gegebenheiten der Region angepasstem Saatgut. Zusätzlich seien auch die Düngemittelkosten erheblich gestiegen.

Bt-Baumwolle benötigt auch nach Angaben der indischen Regierung erheblich mehr Wasser als andere Baumwollsorten. Gerade deswegen stellt der Anbau des Gentech-Saatgutes für Kleinbauern ein extremes Risiko dar: Mit etwas Glück regnet es genug und die Ernte kommt durch. In diesem Fall darf sich der Landwirt über einen durchschnittlichen Mehrertrag von 4,49% gegenüber konventionellem Saatgut freuen. Bleibt der Regen aber aus, muss künstlich bewässert werden und der Gewinn schmilzt rasch dahin.

Je nach Anbauregion ist auf 40 bis 70 Prozent der für Baumwolle genutzten Flächen Indiens eine Bewässerung garnicht möglich. In diesen Fällen führt das “Glücksspiel” mit der Gentechnik nach Warnungen der indischen Regierung oft zu vollständigen Ernteausfällen. Für einen indischen Kleinbauern bedeutet der komplette Verlust einer Jahresernte aber oft den finanziellen Ruin. Genau diese “kleinen” Katastrophen sind es, welche die Selbstmordraten im “Suicide Belt” in die Höhe treiben. Monsantos Bt-Baumwolle ist damit sehr wohl für die Situation zumindest mitverantwortlich.

All diese Fakten hätten auch den Redakteurinnen und Redakteuren des Standard nach wenigen Minuten des Suchens ohne Probleme zur Verfügung gestanden. Ein derart kontroversielles Thema wie Gentechnik in der Landwirtschaft verlangt zwingend nach journalistischer Recherche. Wer dieser Verpflichtung nicht nachkommt, setzt sich zu Recht dem Vorwurf auf, käuflich zu sein und Firmenpropaganda als redaktionellen Beitrag getarnt zu veröffentlichen.

Gefällt Ihnen unsere Arbeit? Glauben Sie, dass dieser Beitrag ein paar Euro wert war?
Dann helfen Sie uns bitte mit einer Spende, den Planeten auch weiterhin zu finanzieren!

Kommentare

  1. Redaktion meint:

    Aus gegebenem Anlass möchten wir darauf hinweisen, dass Kommentare, welche unter einer gefälschten bzw. nicht erreichbaren E-Mail Adresse eingereicht werden, gegen die Regeln verstoßen und dort landen wo Spam eben hingehört.

    Antworten

Deine Meinung ist uns wichtig

*

"));