Das zwischen den USA und Europa geplante Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) ist in aller Munde. Geheimniskärmerei und mangelnde demokratische Legitimation der Verhandlerinnen und Verhandler haben berechtigterweise zu lautstarker Kritik geführt und den Widerstand in den Mitgliedsstaaten der EU angeheizt.
Gegen TTIP spricht aber nicht nur die Art und Weise, wie das Abkommen zustande zu kommen droht. In der Argumentation wird nämlich oft übersehen, dass die USA ähnliche Abkommen mit anderen Ländern teilweise bereits vor Jahrzehnten in Kraft gesetzt haben. Ein Beispiel dafür: Das North American Free Trade Agreement (NAFTA), mit den USA, Kanada und Mexiko als Teilnehmerländern.
NAFTA wurde bereits 1994, begleitet von exakt den selben Heilsversprechungen wie TTIP, in die Tat umgesetzt. Seit dem ist also mehr als genügend Zeit vergangen, um die tatsächlichen wirtschaftlichen Folgen des Abkommens etwas genauer betrachten zu können. Auch wenn die Ausgangssituation und Entwicklung gerade zwischen Mexiko und den USA sich natürlich in vielen Punkten von den Beziehungen des Transatlantikhandels unterscheidet, mag man daraus doch interessante Rückschlüsse auf mögliche Auswirkungen von TTIP für Europa ziehen.
Wie „läuft“ es in Mexiko also, runde zwanzig Jahre nach dem Start in die glorreiche Zukunft des freien, unbeschränkten Handels? Mit einem Wort: Miserabel. Zu den größten Verlierern im Freihandelspoker gehörte die mexikanische Landwirtschaft. Sage und schreibe 2,3 Millionen Arbeitsplätze sind in diesem Sektor seit dem Fall der Handelsbarrieren verloren gegangen. Zweiundvierzig Prozent aller Nahrungsmittel in Mexiko werden mittlerweile aus dem Ausland importiert, zum absolut größten Teil aus den USA. Vor NAFTA importierte Mexiko 8% seines jährlichen Maisbedarfs aus dem Ausland, zehn Jahre später bereits 32%.
Dank Agrar- und Exportsubventionen kamen US-Agrarprodukte jahrelang zu Preisen auf die NAFTA-Märkte, welche unter den Erzeugerkosten lagen (bis zu 19% im Fall von Mais). Klassisches Preisdumping eben. Im Durchschnitt vielen die Preise für Mais, Sojabohnen, Weizen, Baumwolle, Reis, Rindfleisch, Schweinefleisch und Geflügel in Mexiko auf weniger als 60 Prozent des Prä-Freihandelsniveaus.
Abseits der Landwirtschaft bietet das ländliche Mexiko aber eben kaum Alternativen. Arbeitsplätze sind auch in den besten Zeiten rar und extrem schlecht bezahlt, der versprochene industrielle Aufschwung blieb schlichtweg aus.
Die wirkliche Katastrophe begann ab 2007. Zu diesem Zeitpunkt war Mexiko bereits vollständig von den billigen Importen aus dem Nachbarland abhängig. Die Leistung der eigenen Landwirtschaft war mangels Absatzmöglichkeiten dramatisch geschrumpft, während in den USA die ehemalige Überschussproduktion plötzlich neue Abnehmer fand. Ganze 40% der, konventionell mit Gentechnik, Künstdünger und Pestiziden erzeugten, US-Maisproduktion (das sind immerhin 15% des Weltaufkommens), wandern seit dem nämlich in die Produktion von „Bioethanol“ für Treibstoffe.
Mit einem Schlag erhöhte sich das landwirtschaftliche Außenhandelsdefizit Mexikos um vier Milliarden Dollar. Zwanzig Jahre nach dem Beginn der blühenden Zukunft leben 55 Millionen Mexikanerinnen und Mexikaner in extremer Armut, sehr häufig ohne sicheren Zugang zu ausreichender Nahrung. Viele der verarmten Familien drängen nach Norden. Sie hoffen darauf, irgendwie über die Grenze zu gelangen und beim reichen Nachbarn ein menschenwürdiges Leben zu finden.
2012 investierte die Obama-Administration 11 Milliarden Dollar in neue Zäune, Mauern, Kameras, Stacheldraht, Drohnen und mit Maschinengewehren bewaffnete Grenzwächter zum „Schutz“ vor illegalen Immigranten aus Mexiko…
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