Professor Gilles Eric Seralini, von der Universität Caen in Frankreich, hat mit seiner Studie über die Fütterung von Ratten mit gentechnisch verändertem, pestizidbehandeltem Mais schon viel Staub aufgewirbelt.
Im Endeffekt waren es aber nicht einmal so sehr seine absolut erschreckenden Ergebnisse, welche für Aufruhr sorgten. Obwohl seine Daten nichts weniger bedeuten, als eine Infragestellung der gesamten Ernährungssicherheit des Menschen.
Genau genommen müssten sie wohl sogar zu einem sofortigen Verbot von Roundup, sowie einer generellen Neuüberprüfung der Handelszulassung genetisch veränderter Nahrungsmittel führen, ganz davon abgesehen, dass sie die Wächter über die Sicherheit unserer Nahrung, allen voran die EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit), bis auf die Knochen blamieren.
Bedauerlicherweise standen und stehen aber eben nicht zuerst seine Erkenntnisse im Rampenlicht, sondern vielmehr die doch recht offensichtliche Zensur der freien Wissenschaft, zum Wohle von Konzerninteressen und Aktionärsgewinnen, in diesem Fall.
Wobei es natürlich schon auch sein Gutes hat, dass eben diese Wahrheitsverdrehung, mit dem Recht des Zahlungskräftigeren, in der Causa Seralini so klar zu Tage getreten ist und in der internationalen Wissenschaftsszene manch kopfschüttelndes Erwachen verursacht hat.
Wir erlauben uns einen Rückblick auf die Geschehnisse:
Im September 2012 veröffentlichten Seralini und Co. ihre Studienergebnisse, selbstverständlich nachdem das Forschungspapier die üblichen Phasen des Peer-Reviews durchlaufen hatte und für solide befunden wurde, in der Fachzeitschrift „Food and chemical toxicology“, herausgegeben vom renommierten Elsevier Verlag.
Seralinis Erkenntnisse hatten, wie bereits erwähnt, explosiven Charakter: Mit handelsüblichem, für den Import in die EU zugelassenem Genmais (NK 603 von Monsanto) gefütterte Ratten zeigten im Vergleich zu den Kontrollgruppen massive Veränderungen, inklusive drastisch erhöhter Krebsraten und bis zu fünffach erhöhten Leber- bzw. Nierenstörungen.
Bilder von drastisch entstellten Versuchstieren, bei denen ein Großteil des Körpers nur noch aus Tumorgewebe zu bestehen schien, gingen um die ganze Welt.
Warum war vorher niemand auf dieses Problem gestoßen? Ganz einfach deswegen, weil die üblichen „Sicherheitsüberprüfungen“ nur Fütterungsversuche über 90 Tage hinweg vorsehen. Seralini betrachtet Zeiträume von bis zu zwei Jahren. Auch keine Ewigkeit…
Als der an der englischen Universität von Aberdeen tätige ungarische Professor Arpad Pusztai 1998 erstmalig mit ähnlichen Erkenntnissen zu GMO’s wie Seralini an die Öffentlichkeit ging, wurde er übrigens auf Intervention der britischen Regierung entlassen und seine wissenschaftliche Integrität öffentlich in Zweifel gezogen.
Ein halbes Jahr, nachdem die Seralini-Studie im FCT veröffentlicht worden war, schuf Elsevier überraschend eine neue Managementposition im Verlag, den „Associate Editor for Biotechnology“. Besetzt wurde die Stelle mit Richard E. Goodman, einem früheren Mitarbeiter von Monsanto und Gentechnik-Lobbyisten.
In einem Krimi-Roman hätte an dieser Stelle der Gärtner zum Tatwerkzeug gegriffen. Bei Elsevier geschah ähnlich ungeheuerliches, die Veröffentlichung der Seralini-Studie wurde nämlich schlichtweg zurückgezogen.
Dazu muss man wissen, dass das Zurückziehen eines veröffentlichten Forschungswerkes ausschließlich den allerschlimmsten Verfehlungen in der Wissenschaft vorbehalten ist. Immerhin sind kritischer Diskurs und eine möglichst breite Diskussion, auch abweichender Meinungen, ja die Basis moderner Erkenntnis.
Selbst wenn die Schlussfolgerungen eines Forschers oder einer Forscherin (unabsichtlich) falsch sind und später von Kolleginnen und Kollegen widerlegt werden, leisten sie genau durch diesen Anstoß zur weiteren Hinterfragung des Themas einen wichtigen Beitrag.
Laut Elseviers eigenen Richtlinien würde ein Widerruf normalerweise nur erfolgen, wenn die Ergebnisse der Studie aufgrund absichtlich gefälschter oder fehlerhafter Daten unbrauchbar sind, die Studie selber ein Plagiat darstellt bzw. redundante Erkenntnisse präsentiert, oder bei ihrer Erstellung gegen die Grundlagen der Forschungsethik verstoßen wurde.
Die Seralini-Studie erfüllt kein einziges dieser Kriterien.
Zu diesem Ergebnis kam jetzt offensichtlich auch eine dritte Peer-Review Runde. Mit dem Ergebnis, dass die Studie im Magazin „Environmental Sciences Europe“, einer Publikation des Springer-Verlages, erneut veröffentlicht und damit quasi offiziell rehabilitiert wurde.
Ein schwerer Schlag für Elsevier und seine Magazine, deren Ruf und wissenschaftliche Integrität wohl nachhaltig angeschlagen sein dürfte. Wird eine Studie vom Verlag zurückgezogen, kann sich dies verheerend auf die Karriere der betroffenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auswirken.
Es dürfte daher kaum möglich sein, auf einen Schlag mehr Renommee zu verspielen, als durch den begründeten Verdacht, die Existenz und den Ruf kritischer Forscherinnen und Forscher leichtfertig für die wirtschaftlichen Interessen eines Konzernes aufs Spiel gesetzt zu haben. Wer möchte seine Arbeiten bei einem Verlag publizieren, der einem dann womöglich entgegen den eigenen Richtlinien in den Rücken fällt?
Noch schwerer getroffen sollte davon aber Monsanto werden. Denn hoffentlich wird man sich nun, da die Frage der Integrität Seralinis und seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geklärt ist, wieder ihren Ergebnissen zuwenden. Lassen sich diese in weiteren Untersuchungen replizieren, dann steht der Nahrungsmittel- und Agrarindustrie ein Donnerwetter erster Güte ins Haus.
Inklusive möglicher Schadenersatzforderungen einer kaum überschaubaren Anzahl von durch den Verzehr gentechnisch modifizierter und mit Glyphosat behandelter Lebensmittel geschädigten Bürgerinnen und Bürgern. Was wenn auch nur ein Teil der rasch zunehmenden Krebsraten in Europa und dem Rest der industrialiserten Welt auf GMO’s als Ursache zurückzuführen ist?
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