New Deal: It´s the injustice, stupid

Wer ernsthaft einen New Deal, gar einen Green New Deal, als Antwort auf die vielfältigen heutigen Krisen fordert, der sollte einen kurzen Blick in die Geschichte wagen – oder zumindest die Zweite Antrittsrede Roosevelts lesen.

Oftmals wird ein New Deal als Antwort auf die gegenwärtige Krise gefordert. Dann denkt man an Keynes, an Staatsausgaben, vielleicht auch an Schuldenmachen. Der Green New Deal geht einen Schritt weiter, fordert er doch ökologische Investitionen, ein Wachstumsprogramm basierend auf dem Ausbau von Umwelttechnologien. Das sind bedenkenswerte Ideen, hilfreiche Elemente einer vernünftigen Alternative zum gegenwärtigen Krisenmanagement, das die Verursacher der Krise von 2008 – von Börsenanalysten über Ratingagenturen bis zu Europas neoliberaler politischen Führung – für sich monopolisiert haben. Der Bock als Gärtner produziert, was wir gegenwärtig erleben: Die Krise verschärft sich.

Doch der New Deal war mehr, viel mehr. Er war die Antwort auf die Weltwirtschaftskrise, eine soziale Krise ungekannten Ausmaßes mit Massenarbeitslosigkeit verursacht durch Bankenzusammenbrüche und eine extrem ungleiche Einkommensverteilung. 1937, am Beginn seiner zweiten Amtszeit hielt Franklin D. Roosevelt, der 1933 erstmals gewählt wurde, fest: „Wir haben immer gewusst, dass das rücksichtslose Verfolgen des Eigeninteresses moralisch verwerflich ist, aber nun wissen wir auch, dass es eine schlechte ökonomische Theorie ist. Auf den Zusammenbruch eines Wohlstands, dessen Errichter mit ihrer Sachlichkeit prahlten, folgte die Überzeugung, dass sich Moral langfristig auch ökonomisch auszahlt.“ 1

Was war passiert: Die USA erlebte in den 1920er Jahren eine dynamische Entwicklung basierend auf stark steigenden Börsenkursen mit seinen unvermeidbaren Konsequenzen: Die Reichen wurden reichen, die Mittelschicht wollte mithalten und verschuldete sich. Kurz: Das Einkommen verteilte sich höchst ungleich. Als die Blase platzte waren es zuerst Mittel- und Unterschicht, die die Rechnung zu bezahlen hatten, denn bis 1933 galt: Budgetsanierung hatte Vorrang gegenüber den Nöten der Menschen. Es war diese „vernünftige“ Sparpolitik, die Deutschland in die Arme des Faschismus und die USA an den Rand des Abgrunds führte.

Franklin D. Roosevelt stellte dieser hartherzigen und ökonomisch widersinnigen Politik einen Neuen Gesellschaftsvertag gegenüber, ein Bündnis der Vielen gegen den Machtmissbrauch der Wenigen. „Unsere Toleranz mit dem Machtmissbrauch derjenigen, die nur um des Profits willen den elementaren Anstand verraten, nähert sich einem Ende.“ 2

Der New Deal war eine Herausforderung an die herrschenden Verhältnisse, Widerstand gegen die Allmacht des einen Prozents, des Geldadels, der bis 1933 Geldwertstabilität und damit Vermögenssicherung höher bewertete als Massenarmut. Daher hatte Roosvelt auch ein weiteres Verständnis von Demokratie: “Hierin besteht die Herausforderung für unsere Demokratie: In dieser Nation sehe ich viele Millionen von Bürgern – einen substantiellen Teil unserer Bevölkerung – denen hier und jetzt das verweigert wird, was ein ganz niedriger Standard dessen ist, was wir Lebensnotwendigkeiten nennen.” 3

Wie klingt dies in den Ohren von EuropäerInnen im Jahre 2012? Kann der Abstand zwischen Roosevelt und Merkel größer sein? Gibt es in Europa Stimmen, die die moralisch und ökonomisch desaströse Sparpolitik mit der Brille Roosevelts betrachten? Ja, es gibt sie – an den Rändern, verstreut. Und trotzdem gilt es auch hier und jetzt mitzuarbeiten, mitzuhelfen, dass das Ziel des New Deal nicht in Vergessenheit gerät. Denn nur Weniges ist Dringender als Roosevelts Vorgabe: „Der Test für unseren Fortschritt ist nicht, ob wir mehr zur Fülle derjenigen beitragen, die viel haben, sondern ob wir für diejenigen genug anbieten, die zu wenig haben.“ 4

Die Krise von Politik und Wirtschaft hat damals wie heute eine Ursache: It´s the injustice, stupid . Es geht um Ungleichheit und Gerechtigkeit. Und es ist eine moralische und politische Entscheidung: Geht es um die deutschen Bankenaktionäre oder die Armen und verarmende Mittelschicht in Südeuropa? Die Zukunft Europas wird davon abhängen, wie wir uns entscheiden.

Andreas Novy ist ao. Prof. an der WU und Obmann der Grünen Bildungswerkstatt

Roosevelt FD. (1937) Second Inaugural Speech . Available at: http://en.wikisource.org/wiki/Franklin_Roosevelt's_Second_Inaugural_Address .

1  We have always known that heedless self-interest was bad morals; we know now that it is bad economics. Out of the collapse of a prosperity whose builders boasted their practicality has come the conviction that in the long run economic morality pays.” Die gesamte Rede findet sich unter Roosevelt FD. (1937) Second Inaugural Speech . Available at: http://en.wikisource.org/wiki/Franklin_Roosevelt's_Second_Inaugural_Address.

2  We are beginning to abandon our tolerance of the abuse of power by those who betray for profit the elementary decencies of life.

3  “But here is the challenge to our democracy: In this nation I see tens of millions of its citizens—a substantial part of its whole population—who at this very moment are denied the greater part of what the very lowest standards of today call the necessities of life”.

4  “The test of our progress is not whether we add more to the abundance of those who have much; it is whether we provide enough for those who have too little.”

Kommentare

  1. Klara meint:

    l o G i s c h
    m o R a l i s c h
    U m w e l t f r e u n d l i c h
    b a s i s d E m o k r a t i s c h
    a l t e r N a t i v

    Antworten

Ihre Meinung ist uns wichtig

*

"));