Partizipation nutzt die Vielfalt und entfaltet das kreative Potenzial einer Stadt

Partizipation gilt oft als Zauberformel, wenn es um Antworten auf die Politikverdrossenheit der Bevölkerung und schleichende Prozesse der Entdemokratisierung geht. Partizipative Demokratie erscheint dann als Antwort auf die schwindende Legitimation und Gestaltungskraft der Politik. Es gibt Anlass zur Sorge, wenn die neuen Developer , die Entwickler, der Stadt weder die politischen EntscheidungsträgerInnen noch die BürgerInnen sind, sondern Immobilien- und Baufirmen, deren Renditen zunehmend vom Finanzmarkt abhängen. Und es widerspricht einer demokratischen Kultur, wenn nicht Flächenwidmungspläne die Siedlungsstrukturen bestimmen, sondern Investoreninteressen die Flächenwidmungen.

Partizipation ist kein Selbstzweck, kostet sie doch Mühe und Zeit, die wir gerne anderem widmen. In der Regel gehe ich in die Bäckerei, um Brot zu kaufen, nicht um über das Angebot an Backwaren zu diskutieren, ebenso ins Kino, wo ich mich unterhalten und nicht das Filmangebot bestimmen will. Auch in der Stadt wollen wir, dass die Straßenbahn regelmäßig kommt, der Müll abgeholt wird, die LehrerInnen gut unterrichten – und all dies soll auch nicht zu viel kosten.

Das biedermeierliche Ideal, sich mit ganzer Energie dem Privatleben, der eigenen Familie, der eigenen Karriere und vielleicht auch noch dem eigenen Hobby zu widmen – und das Öffentliche, das Gemeinwohl den anderen zu überlassen, ist weit verbreitet. Doch ist die Erwartung, das urbane öffentliche Leben habe zu funktionieren, ohne dass ich mich an dessen Organisation beteilige, schlicht fahrlässig. Und der Glaube, all dies delegieren zu können und die beste aller Städte – die Stadt mit der „weltweit höchsten Lebensqualität“ – am Serviertisch zu erhalten, mehr als naiv.

Woher soll denn der Antrieb für EntscheidungsträgerInnen kommen, den Willen der Bevölkerung ernst zu nehmen, wenn diese höchstens alle fünf Jahre das jeweils geringste Übel per Stimmzettel ermächtigt, stellvertretend Politik zu machen? Warum erwarten BürgerInnen von PolitikerInnen ein Ethos, das ihnen selbst fremd ist? Und woher soll das Wissen darüber kommen, was die Menschen eigentlich wollen, wenn sie nicht gefragt, geschweige denn in die Entscheidungen eingebunden werden?

Eine gut funktionierende Stadt braucht die Beteiligung der Bevölkerung aus vielerlei Gründen. Zum einen als Gegenpol zu den Investoreninteressen, die in den letzten Jahrzehnten gelernt haben, Städte gegeneinander auszuspielen. Die Machtteilung der Regierenden, um die es bei partizipativer Demokratie geht, führt nämlich mittelfristig zu einem Machtgewinn des demokratischen Systems in seiner Gesamtheit: Politik, Verwaltung und BürgerInnen zusammen sind imstande, den Spieß umzudrehen und das Geld der Investoren wieder zur Umsetzung gemeinwohlorientierter Maßnahmen zu nutzen.

Doch eine neue Beteiligungskultur hat noch einen weiteren wichtigen Vorteil: Weil Partizipation das Erfahrungswissen der BürgerInnen nutzt, steigt die Qualität der getroffenen Entscheidungen. Partizipative Demokratie verbreitert nicht nur den Entscheidungsprozess, sondern sie mobilisiert auch das Engagement und das Wissen der Menschen für kollektive Gestaltungsprozesse, von Spielanlagen bis zur Nutzung öffentlicher Plätze und Parks. Um das Fachwissen der ExpertInnen mit dem Erfahrungswissen der BürgerInnen zu verbinden, braucht Bürgerbeteiligung profesionelle Unterstützung – durch Gemeinwesenarbeit, Moderation, Gebietsbetreuung und viele andere Formen der Stadtteilarbeit.

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