„Für das Volk, durch das Volk, mit dem Volk“

„Für das Volk, durch das Volk, mit dem Volk“, diesen Anspruch stellte Jefferson im 19. Jahrhundert an die US-amerikanische Demokratie. In dieser Definition wird ein demokratisches Gemeinwesen beschrieben, in dem es nicht bloß um Wählen-Können geht, sondern um eine politische Ordnung, in der das Volk, die BewohnerInnen, im Zentrum stehen.

Doch wie schaut die Wirklichkeit aus? Ein kriminelles System aus Billigkrediten hat die Welt in eine Finanzkrise und Millionen AmerikanerInnen um ihr Haus gebracht. Weder für, noch durch, noch mit dem Volk ist all dies in den USA des 21. Jahrhunderts passiert. Die österreichische Verfassung ist zwar bescheidener: Bei uns geht das Recht „vom Volke aus“. Doch wann kommen die BürgerInnen zu Wort, wann werden sie gefragt, was können sie mitentscheiden?

Gibt es vor den Parlamentswahlen 2013 Mitbestimmungsmöglichkeiten, wie die Lasten der Wirtschaftskrise verteilt werden? We kann mitentscheiden, wie die Landesregierung den Klimawandel bekämpft? Wie können sich BürgerInnen bei der Gestaltung eines demokratischen, solidarischen und nachhaltigen Europas beteiligen? Was bräuchte es, damit die Regierten, die Vertretenen, das Volk, die entscheidende Instanz des Gemeinwesens werden? Wie organisiert sich ein Gemeinwesen, dessen Basis die BewohnerInnen bilden, für die, durch die und mit denen Politik gemacht wird?

Diese Fragen sprechen große Probleme an, gerade in einem Land, in dem am Wahltag die demokratische Kompetenz für fünf oder sechs Jahre abgetreten wird an professionelle VertreterInnen. Lange Zeit gab es ein stillschweigendes Übereinkommen von Volksvertretung und Volk, von Repräsentierten und Repräsentierenden, sich gegenseitig nicht einzumischen. Keine Beteiligung von unten, bloßes Motzen am Stammtisch und im Internet; keine Rückkopplung an das Wahlvolk außer zu Wahlkampfzeiten. Doch dieser Konsens bröckelt; die Beziehung Politik und BürgerInnen muss neu geordnet werden.

Die Idee Jeffersons, Politik mit, für und durch die Menschen zu machen, heute Ernst zu nehmen, erfordert eine kreative Anpassung des demokratischen Ideals an die Realitäten des 21. Jahrhunderts: Für, durch und mit den Menschen regieren hieße, Teilhabe im umfassenden Sinne zu ermöglichen. Statt Demokratie auf Wählen zu reduzieren, braucht es ein weites Partizipationsverständnis: Mitbestimmen, mitgestalten, mitverantworten wären die Elemente offener, lebendiger demokratischer Gemeinwesen.

Die erforderliche neue Partizipationskultur kann nicht von oben herab verortet oder mit Unterschriften und Demonstrationen erzwungen werden. Sie braucht zum einen aufgeklärte EntscheidungsträgerInnen, die Partizipation auch dann wollen, wenn dies der eigenen Handlungsfreiheit Grenzen setzt. Es braucht PolitikerInnen, die Macht teilen wollen, und ihr Amt als Dienst am Gemeinwohl verstehen. Zum anderen braucht es eine Bevölkerung, die nicht erste Reihe fußfrei die Entwicklungen in der Nachbarschaft und der großen weiten Welt kommentiert und bei Bedarf dem eigenen Frust Luft machen möchte, sondern BürgerInnen, die sich Zeit nehmen, im Grätzel, in der Schule oder im Europäischen Verfassungskonvent Verantwortung für das Gemeinwesen zu übernehmen.

Dienende Politik und verantwortungsvolle BürgerInnen könnten in unseren Städten eine neue politische Kultur schaffen, um gemeinsam die großen Herausforderungen anzugehen: ökologische Formen der Mobilität für alle zur Bewältigung des Klimawandels, eine Bildungsoffensive vom Kindergarten bis zur Universität, um das Wissen zu generieren, das Innovation und Kreativität ermöglicht, mehr städtische Lebensqualität schaffen, um den Trend weg von der Suburbanisierung zu beschleunigen. Das Bündnis aus Politik und BürgerInnen, das auf gegenseitigem Respekt aufbaut, braucht Machtteilung von oben, Mitverantwortung von unten. Dies sind die Eckpfeiler einer neuen Partizipationskultur.

Klimawandel, Wirtschaftskrise und Rechtspopulismus werden den Status Quo verändern, was immer mit Konflikten einhergeht. Doch statt aufkommende Konflikte zu kalmieren, braucht lebendige Demokratie die Auseinandersetzung, offen und auf Grundlagen einer fundierten Wissensbasis. Dies gelingt am besten durch eine Vielzahl einander ergänzender Formen, wie sich BürgerInnen an politischen Entscheidungen nicht bloß beteiligen, sondern sich tatsächlich das eigene Lebensumfelds mitgestalten. Es geht nicht länger um Demokratie als Spektakel, sondern um Teilhabe- und Aneignungdemokratie durch, für und mit den BürgerInnen.

Partizipative Demokratie, von Beteiligungsmodellen im Stadtteil, partizipativen Stadtteilbudgets bis hin zu netzbasierten Formen von liquid democracy , stellen Mischformen direkter und indirekter Demokratie dar. Diese innovativen Mischformen von Teilhabe gibt es aber nicht zum Nulltarif und auch nicht ohne Konflikte. Schließlich eröffnet Partizipationskanäle überhaupt erst die Möglichkeit zu behaupten, die eigenen Wünsche und Interessen seien diejenigen der Mehrheit. Ohne Zweifel werden sich manche dieser Wünsche als Illusion herausstellen, manche Interessen als unvereinbar mit denjenigen anderer. Deshalb braucht es Dialog, Kommunikation und manchmal auch Mediation bei der Suche nach akzeptierten, aber auch guten Lösungen.

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