Normalerweise hat die Volksrepublik China ja nicht unbedingt den Ruf, ein Umwelt-Musterland zu sein. An manchen Tagen kann man den Smog in Peking oder Shanghai wirklich mit dem Messer scheiden und in vielen Regionen des Landes rücken Wanderarbeiter aus, um die Insekten zu ersetzen und Obstplantagen zu bestäuben.
Tatsächlich haben die Menschen in China in der Vergangenheit bedauerlicher Weise alle Warnungen in den Wind geschlagen. Die Chance, aus den Fehlern des Westens zu lernen, anstatt sie selber zu wiederholen, hat man mit Pauken und Trompeten verpatzt.
Im Angesicht der drastischen Folgen des Industriebooms findet aber doch Schrittweise ein Umdenken statt. Was auch nicht unbedingt verwundern sollte, spielen doch gerade in China sowohl die eigene Lebensqualität als auch das Wohlergehen von Kindern und Enkelkindern eine besonders zentrale Rolle.
Spannend daran ist, dass hier eine von Europa und „dem Westen“ doch noch weitgehend emanzipierte Gesellschaft auf die Suche nach Lösungen geht. Auch wenn manches davon vielleicht nie funktionieren wird, frischen Wind, neue Sichtweisen und mutige Projekte kann die Welt auf jeden Fall immer gebrauchen.
Un an Mut zu großen Vorhaben fehlt es in China sicher nicht. Dazu kommt noch, dass man im „Reich der Mitte“ schon immer dazu neigte, Probleme vorrangig durch eine Mischung aus technologischem Avantgardismus und architektonischer Gigantomanie zu lösen.
Schon mit Ende der 1990er Jahre fing man, sich erste Gedanken zu neuen, umwelt- und menschenfreundlichen Stadtprojekten zu machen. Nicht mit dem vorrangigen Ziel, bestehende Städte zu modernisieren, sondern mit riesigen Pilotprojekten „auf der grünen Wiese“.
Dutzende solcher „Öko-Städte“ werden überall in China gebaut bzw. entwickelt. Das wohl bekannteste davon ist die „Tianjin Eco-City“, ein Kooperationsprojekt zwischen der Regionalregierung von Tianjin und dem Stadtstaat Singapur. Mehr als 6 Milliarden US-Dollar sind angeblich schon in das Projekt investiert worden, die ersten 20.000 von geplanten 350.000 Einwohnerinnen und Einwohnern konnten schon in ihre neuen Wohnungen ziehen.
Gebaut wird die „Eco-City“ auf dem Gelände eines ehemaligen Abwasser-Reservoirs, welches durch jahrzehntelange ungezügelte Verschmutzung mit industriellen Abfällen ökologisch praktisch tot war. Das Gebiet wurde saniert, die natürlichen Feuchtgebiete sollen so weit wiederhergestellt werden, dass alle Verluste durch die neue Verbauung vollständig ausgeglichen werden.
Für den Endausbau bis 2020 planen die Projektverantwortlichen, ein Verhältnis von 1:12 zwischen Einwohnerinnen und Einwohnern, sowie Grünflächen, zu schaffen. Schon jetzt ist eine der auffälligsten Eigenschaften der „Eco-City“ ihre große Zahl an Alleen, Parks und Wasserflächen. Für China so ungewöhnlich wie die bei Nacht mit Solarenergie beleuchteten Mülleimer, welche dabei helfen sollen das Ziel von mindestens 60% Recycelingrate zu erreichen.
Ein anderes Beispiel für die sprichwörtlich nach dem Himmel greifenden Ambitionen Chinas sind die Phönix-Türme in der Stadt Wuhan. Mit einem Kilometer Höhe und einer Gesamtfläche von 47 Hektar (7 Hektar davon direkt durch die zwei Türme verbaut) sollen sie nicht nur die größten Bauwerke der Erde werden, sondern auch die „grünsten“. Sofern das Projekt tatsächlich zur Verwirklichung kommt, wird es in praktisch allen Bereichen der Öko-Technologie neue Maßstäbe setzen.
Die Struktur der Türme ist von vornherein so geplant, dass innerhalb der Bauwerke ein starker Kamineffekt entsteht. Dadurch wird nicht nur die Kühlung der Gebäude erleichtert, sondern gleich auch noch über Turbinen erneuerbare Energie erzeugt. Die Umgebung der Türme würde von großen Wasserflächen geprägt, durch welche der natürliche Kühlungseffekt noch einmal verstärkt wird. Insgesamt sollen die Gebäude nicht nur genug Energie für sich selber produzieren, sondern auch noch die Umgebung mit nachhaltigem Strom versorgen.
Die Außenwände sollen so errichtet werden, dass darin unzählige kleine Habitate für lokale Tier- und Pflanzenarten entstehen, ähnlich wie auf einer von der Natur geschaffenen Klippe. Die Außenhaut der Gebäude wird mit leichtgewichtigen Potovoltaik-Modulen bedeckt. Regenwasser wird im inneren der Türme gesammelt und versorgt die Einwohnerinnen und Einwohner nach der Aufbereitung mit Trinkwasser. Abwasser und Abfälle werden in Biomasse-Konvertern aufbereitet und dienen ebenfalls der Energiegewinnung.
Überhaupt lässt sich erwarten, dass in Wuhan noch so einiges an Innovation zu bestaunen sein wird. Denn die Regierung der Volksrepublik China hat die Stadt zur Umwelt „Super-City“ erklärt und für die weitere Entwicklung auch eine enge Kooperation mit Frankreich vereinbart.
Gute Nachrichten also, auch wenn China nach wie vor neue Rekorde in Sachen Umweltverschmutzung aufstellt. Bleibt nur zu hoffen, dass die großen Pläne und Projekte tatsächlich die Vorboten einer umfassenden und nachhaltigen Veränderung sind.
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