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Kleinstkredite: Schmutziges Geschäft mit der Armut?

10. September 2013 von Wolfgang Kühn 1 Kommentar

Foto von: Mark

In einem Interview mit dem Deutschlandfunk äußerte der Soziologe Philip Mader erhebliche Zweifel an der Tauglichkeit von „Mikrokrediten“ als Mittel im Kampf gegen die weltweite Armut. Helfen die Kleinstkredite dabei, lokale Entwicklung in den ärmsten Länder der Welt zu fördern? Stärken sie die gesellschaftliche Position (und damit auch die Rechte) von Frauen? Oder sind sie doch nur ein weiteres gutes Geschäft für internationale Finanzjongleure?

Laut Mader, der am renommierte Kölner Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung tätig ist, führen Mikrokredite vor allem zu einer Finanzialisierung der Armut. Aus der Not wirtschaftlich benachteiligter Menschen wird ein gewinnträchtiges Geschäft.

Tatsächlich dürften allein schon die nackten Zahlen zum Markt des „kleinen Geldes“ so manche Augenbraue hochgehen lassen: Weltweit sind demnach nämlich rund 90 Milliarden Dollar in Form von Mikrokrediten in Umlauf. Allein im Jahr 2010 wurden insgesamt mehr als 70 Milliarden Dollar an Krediten vergeben. Mit einem Zinsgewinn für die beteiligten Banken von 20 Milliarden Dollar.

Rund 200 Millionen Menschen sind weltweit Kreditnehmer des Systems. Rechnet man deren Familienangehörige (welche ja oft von einem einzigen Ernährer oder einer Ernährerin abhängig sind) hinzu, dann wurde innerhalb weniger Jahre rund eine Milliarde Menschen direkt oder indirekt zu Schuldnern internationaler Bankenkonzerne gemacht.

Weltmarktführer im Mikrofinanzinvestment sind die Citigroup und die Deutsche Bank. Hinzu kommt eine ganze Reihe kleinerer Investmentgesellschaften, welche in der Regeln eines gemeinsam haben: Ihr Firmensitz befindet sich in Steueroasen wie Luxemburg oder auf den britischen Kanalinseln. Lauter selbstlose Altruisten? Wie sehr die Deutsche Bank am Wohl der Menschen interessiert ist, sieht man ja an ihrem Verhalten in der Banken- und Eurokrise. Blühende Landschaften allerorten…

Neben der Tatsache, dass offensichtlich wieder einmal mit der Armut kräftig „Geschäft gemacht“ wird, erscheint aber vor allem bemerkenswert, dass es tatsächlich nicht einmal wissenschaftlich haltbare Beweise für die Wirksamkeit von Mikrokrediten zur Wachstums- und Entwicklungsförderung zu geben scheint.

Foto von: Tom Caswell

Tatsächlich fördern die Darlehen laut Mader vor allem die lokale Konkurrenz. Die Nischen, welche sich den Schuldnern mit ihrem neuen Geld eröffnen, sind ja bereits seit langem besetzt. An Näherinnen, Gemüsehändlerinnen oder Rikschafahrern herrscht in Wirklichkeit in keinem Land der Welt ein Mangel. Die neu auf den Markt drängende Konkurrenz hat daher vor allem einen Effekt: Fallende Preise und damit sinkende Lebensstandards für alle Beteiligten.

Verstärkt wird diese Auswirkung noch durch den extrem hohen Druck, welchem die Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer ausgesetzt sind. Für europäische Ohren mögen sich fünfzig Euro für eine Nähmaschine nicht nach sehr viel anhören. In Bangladesch ist das aber schon eine beträchtliche Summe. Hinzu kommen die hohen Zinsen, in manchen Fällen bis zu 200%. Alles in allem belaufen sich die Rückzahlungen damit leicht auf mehr als ein volles Jahreseinkommen, was in Europa äquivalent einer Verschuldung von rund 20.000 Euro entsprechen würde.

Unter dieser Last arbeiten die Kreditnehmerinnen und Kreditnehmer häufig 12 bis 14 Stunden pro Tag und nehmen auch unter Wert bezahlte Aufträge an. Wenn ein Mikrokredit nicht mehr zurückbezahlt werden kann, kommt es laut Mader schon einmal dazu, dass die Nachbarn das Haus einer Familie abreißen und als Baumaterial verkaufen um die Schulden zu decken. Schließlich befinden sich ja alle zusammen in der gleichen Kreditgruppe, ein Ausfall hätte also womöglich negative Auswirkungen auf die eigene Kreditwürdigkeit.

Anstatt eine Chance auf faire, gleichberechtigte Wirtschaftsbeziehungen mit den reicheren Ländern der Erde zu bieten, scheinen Mikrokredite gerade die ärmsten Menschen also eher in einen erbarmungslosen Konkurrenzkampf um die ewig gleichen abgenagten Knochen zu jagen. Maders Kritik erscheint substanziell und nachvollziehbar. Sie sollte deshalb dringendst zum Anlass genommen werden, bestehende Systeme eine kritischen Prüfung zu unterziehen und vor allem die Rolle internationaler Finanzinstitute in der „Entwicklungshilfe“ zu hinterfragen.

 

Kategorie: Partizipation und Demokratie

Über Wolfgang Kühn

Wolfgang Kühn ist Autor und freier Journalist. Er leitet ehrenamtlich die Planet-Redaktion. Weitere Informationen finden Sie auf seiner persönlichen Website unter www.wolfgang-kuehn.com.

Kommentare

  1. Irmgard Seidler meint

    24. September 2013 um 10:39

    wieder mal von der richtigen Seite beleuchtet – Dein Artikel scheint klarer als das grelle Licht der großen Betrichterung. Danke Dir und bitte nicht aufhören Irmgard

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