Im Prinzip ist sich die Mehrheit der Europäerinnen und Europäer ja darin einig, dass Entwicklung und Ausbau von erneuerbaren Energiequellen einen wichtigen Baustein für die Zukunft unserer Gesellschaft darstellen.
Wie so oft geht mit diesem gesellschaftlichen Konsens allerdings das Phänomen einher, dass vielen Menschen gar nicht mehr so ganz klar zu sein scheint, was denn nun wirklich die konkreten Argumente für die Förderung von Sonnenenergie und Co. sind.
Irgend etwas hat die ganze Sache damit zu tun, dass Erdölquellen und Kohleminen eben nicht unendlich produzieren können. Mit der Klimaerwärmung natürlich auch. Aber weiter? Jenseits dieser offensichtlichen Tatsachen versiegen die Argumente oft genau so schnell, wie mittels Fracking erschlossene Gas- oder Ölfelder.
Treten wir also einmal einen Schritt zurück und werfen einen Blick auf die absoluten Grundlagen zur Beantwortung der Frage: Warum sollten wir uns überhaupt für erneuerbare Energien interessieren?
Reduktion von Treibhausgasen
Wie schon erwähnt ein klassisches und allgemein bekanntes Argument. Die Aktivitäten des Menschen haben dazu geführt, dass sich die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre, vor allem CO2, in den letzten Jahrzehnten drastisch erhöht hat.
Der damit verbundene stetige Anstieg der Jahresmitteltemperaturen hat gerade auch in Österreich die Höhengrenze für schneesichere Skigebiete nach oben verschoben, was in vielen Ortschaften das Aus für eigene Lifte und Pistenbetrieb bedeutete.
Als Folge wird den weltweiten Wettersystemen aber vor allem immer mehr Energie zugeführt, was zu stärkeren Extremereignissen führt. Ging man noch vor wenigen Jahren davon aus, dass die größten Gefahren der Klimaerwärmung von Hitze, Dürre und Versteppung ausgehen, so zeigt sich mittlerweile, dass tatsächlich die wachsende Gefahr katastrophaler Stürme und plötzlicher Temperaturumschwünge zum viel größeren Problem wird.
Die Zahlen sprechen, was das Klima angeht, jedenfalls ganz klar für die erneuerbaren Energiequellen. Bei der Produktion von Energie aus Erdgas wird rund ein Kilogramm CO2 pro Kilowattstunde freigesetzt. Erzeugt man die gleiche Menge Energie aus Kohle, sind es schon bis zu zwei Kilogramm CO2.
Im Gegensatz dazu fallen bei Windenergie, Wasserkraft und Solarenergie nur rund 0,02 bis 0,04 Kilogramm CO2 pro Kilowattstunde an. Der Umweltvorteil ist also nicht von der Hand zu weisen.
Eine Ausnahme stellt allerdings Energie aus Biomasse dar. Bei dieser kommt es nämlich sehr darauf an, wie die notwendigen Rohstoffe gewonnen werden. Nachhaltige Energie-Landwirtschaft hat einen extrem niedrigen ökologischen Fußabdruck und arbeitet praktisch CO2-neutral. Wird aber zum Beispiel „Biogas“ aus konventionell angebautem Mais hergestellt, setzt die Erzeugungskette in Summe wesentlich mehr Kohlendioxid frei, als die einfache Verbrennung von fossilen Brennstoffen.
Endlose Verfügbarkeit
Bei Kohle, Gas und Öl haben wir die Spitze der möglichen Förderleistung laut den meisten Expertinnen und Experten bereits seit einiger Zeit überschritten. Ab jetzt geht es also nur mehr bergab.
„Unkonventionelle“ Fördermethoden wie Fracking liefern nur ein kurz und hell brennendes Strohfeuer, mit welchem dieser Trend nicht maßgeblich verändert werden kann. Die entsprechenden Öl- und Gasfelder sind von ständig neuen Bohrungen abhängig, weil Fracking-Quellen im Durchschnitt schon nach zwei Jahren zu versiegen beginnen. Ganz nebenbei bemerkt lange, bevor sie ihre Investitionskosten wieder hereingespielt haben.
Während der weltweite Verbrauch nach wie vor von Jahr zu Jahr steigt, sinkt also die Produktion. Steigende Preise sind damit faktisch vorprogrammiert. Konflikte und Kriege um den letzten Rest des großen Buffets auch.
Eine der Kerneigenschaften von „erneuerbaren“ Energiequellen ist hingegen, dass sie sich eben in verhältnismäßig kurzen Zeitabständen regenerieren. Sie können daher niemals wirklich aufgebraucht werden. Obendrein stehen sie in geradezu gigantischen Größenordnungen zur Verfügung.
Das Beispiel Sonnenenergie macht es am deutlichsten Sichtbar: Pro Jahr strahlen rund 174.000 Terawatt an Energie in die Erdatmosphäre ein. Die gesamte Menschheit verbraucht aber, bei all ihrem ungezügelten Energiehunger, „nur“ 20 Terawatt. Nein, bei diesen Zahlen ist keine Kommastelle verrutscht.
Ein paar vergleichsweise winzige Kraftwerkscluster in den Wüsten- und Steppengebieten der Welt würden also schon ausreichen, um alle Menschen mit nachhaltiger Energie zu versorgen und die drohende Energiekrise abzuwenden.
Alternativ dazu könnten wir auch einfach jene Flächen konsequent nutzen, welche wir sowieso schon mit Bauwerken aller Art zugepflastert haben. Auf die Dächer der Welt strahlt mehr Energie ein, als die Menschheit braucht.
Stabilere Energiepreise
Die Marktpreise für Energie bzw. Energieträger werden vor allem von zwei Faktoren ins Wanken gebracht: Spekulation und Unsicherheit. Die zunehmend schwieriger werdende Sicherheitssituation, gerade in vielen Erdöl produzierenden Ländern, stellt ein wachsendes Problem dar. Auch deshalb, weil Unsicherheit eben wieder das Handwerk von Spekulanten aller Art erleichtert.
Große Teile der noch vorhandenen Vorräte an Erdöl und Erdgas liegen in Regionen mit sehr geringer sozialer und politischer Stabilität. Das liegt nicht zuletzt daran, dass der mit den fossilen Energieträgern gewonnene Reichtum häufig nicht bei den Bewohnerinnen und Bewohnern des Fördergebietes ankommt. In Saudi-Arabien zum Beispiel liegt der Großteil der Ölfelder im Siedlungsgebiet der marginalisierten und mit Gewalt unterdrückten schiitischen Minderheit.
Vom Ölreichtum des Landes sehen diese Menschen herzlich wenig. Staatsreligion ist die sunnitische Variante des Islam, die Schiiten im Land werden vom Königshaus relativ offensichtlich als potentielle Verräter betrachtet, die sich jederzeit ihren Glaubensbrüdern im verfeindeten Iran zuwenden könnten. Wozu sie natürlich um so mehr Grund bekommen, je mehr man sie in Saudi-Arabien an den Rand drängt und ihre Bodenschätze ohne Gegenleistung davonschafft…
Stichwort Iran: Hier stellt sich wiederum die Frage, wann die Spannungen zwischen dem theokratischen Regime und den vornehmlich jungen Reformkräften im Land sich das nächste Mal entladen werden. Die Iranerinnen und Iraner müssen selbstverständlich das Recht haben, ihre Regierungsform frei zu wählen und gegebenenfalls auch den Weg in eine säkulare Zukunft zu beschreiten. Zu welchem Endergebnis ein „persischer Frühling“ nach arabischem Vorbild letztendlich führen würde, ist aber absolut nicht abzusehen.
Ähnliche Probleme lassen sich in fast Teilen der Welt finden, wo Bodenschätze im Allgemeinen und fossile Energieträger im Besonderen gefördert werden.
Im Gegensatz dazu stehen erneuerbare Energiequellen überall mehr oder minder gleichberechtigt zur Verfügung. Maximal stellt sich die Frage danach, welcher Energiemix eingesetzt werden muss (mehr Photovoltaik/Solarthermie, mehr Wind- und Wasserkraft, oder Biomasse, oder…) um die eigene Versorgung vor Ort zu garantieren. Kriege um Sonnenlicht oder Wind zu führen, macht keinen Sinn.
Aufgrund der bereits erwähnten extrem großen verfügbaren Menge an erneuerbarer Energie, fallen mögliche Verknappungen als Faktor in der Preisgestaltung weg. Je größer der Anteil erneuerbarer Energien am Markt wird, desto stabiler kann dieser dadurch werden. Zu erwartende technologische Entwicklungen werden logischer Weise weitere Effizienzsteigerungen und geringere Herstellungskosten für die „Ernteanlagen“ zum Ziel haben. Die Preise für erneuerbare Energie dürften sich daher auf absehbare Zeit vor allem zuverlässig nach unten bewegen.
Je einfacher und kostengünstiger die Errichtung von Sonnen- und Windfarmen (oder jeder anderen Form von erneuerbarer Energie) wird, desto einfacher ließe sich widerum sicherstellen, dass weltweit zumindest beim Zugang zu Energie ein gewisses Maß an Gleichberechtigung entsteht. Inklusive aller damit verbundenen Chancen für die bisher an den Rand gedrängten Menschen.
Widerstandsfähigere und verlustärmere Energiesysteme dank Dezentralisierung
Erneuerbare Energie lässt sich dezentral erzeugen und verbrauchen. Allen voran Photovoltaik und Klein- bzw. Kleinstwindkraft haben, in Verbindung mit modernen Speichersystemen das Potential, Einheiten bis hinunter zum Einfamilienhaus energieautark zu machen.
Diese Energie-Souveränität geht in der Regel mit einem Umdenken im Umgang mit Energie einher. Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Bedarf führt automatisch dazu, dass man sich eben auch Gedanken über Effizienz und mögliche Vergeudung macht. Energie-Autark lebende Menschen sind daher in der Regel sparsamer, ohne notwendigerweise auf Komfort zu verzichten.
Dazu kommt, dass in einem gut geplanten lokalen Microgrid viel weniger Energie verloren geht, als bei einem zentralen Versorgungsnetz. Die Leitungs- und Transformationsverluste solcher Netze werden heute noch viel zu wenig kritisch betrachtet. Dabei geht hier ein erheblicher Anteil der von teils umweltschädlichen oder (im Fall von Atomkraftwerken) ganze Kontinente gefährdenden Anlagen verloren. Im Fall eines Kohlekraftwerkes kommen im schlimmsten Fall gerade einmal 10% der in Form von Brennstoff zugeführten Energie tatsächlich als Nutzleistung am Ende der Kette wieder heraus.
Noch schlechter wird die Bilanz, wenn man den gigantischen Material- und Energieeinsatz für die Erzeugung und Errichtung von Großkraftwerken und Leitungsnetzen mit einbezieht. Europa wird von einem dichten Gewebe aus Leitungen verschiedenster Spannungsebenen überspannt. Im Endeffekt bedeutet das Millionen Kilometer von Kabel und unzählige Stützen, Transformatoren, etc.
Genau darin liegt auch der große Haken unserer historisch gewachsenen Netzstrukturen wenn es um die Versorgungssicherheit geht: Wir könnten Sie, sollten sie durch irgend einen Vorfall ernsthaft beschädigt werden, nicht innerhalb vernünftiger Zeit neu errichten. Dabei sind sie relativ schlecht geschützt und von Natur aus leicht zerstörbar.
Als Unbekannte in den USA durch gezielte Schüsse die Leistungstransformatoren eines einzigen Umspannwerkes beschädigten, konnte ein Zusammenbruch weiter Teile des nationalen Stromnetzes nur mit Mühe und Not verhindert werden. Auch Europa ist bereits mehrfach an transnationalen Blackouts vorbei geschlittert, nur weil einzelne Netzeinheiten (wie z.B. eine Hochspannungsleitung über die Weser in Deutschland) kurzfristig ausgefallen sind.
Würde eine Katastrophe, beispielsweise ein besonders schlimmes Hochwasser, ein Erdbeben, oder eine Sonneneruption von der Stärke des „Carrington-Events“ im Jahr 1859 großflächige Schäden herbeiführen, stünden die Großstädte Europas auf Jahre hinaus ohne zuverlässige Stromversorgung da. Laut NASA ist die Erde einer zweiten Eruption dieser Stärke übrigens im Jahr 2012 nur knapp entgangen.
Kleine, lokale Energieversorgungseinheiten ohne (oder mit abschaltbaren) Verbindungen zur zentralistischen Stromversorgung lassen sich wesentlich besser gegen solche Einflüsse sichern und bringen von Haus aus mehr eingebaute Resilienz mit. Kein Wunder also, dass zu den besten Kunden der gerade aufblühenden Microgrid-Industrie neben Krankenhäusern und Universitäten vor allem auch das US-Militär gehört, dessen wichtigste Basen samt uns sonders nicht nur „öko“, sondern eben autark und besser abgesichert werden sollen.
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